Das Recht auf (Über)Leben

Durch einige Diskussionen in den letzten Tagen ist mir Jean Ziegler wieder mal eingefallen:

 „Jedes Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet.“, hat er schon vor unzähligen Jahren zum ersten Mal festgestellt.

Mittlerweile müsste man dieses Zitat wohl um einige andere Umstände erweitern: „Jedes Kind (und überhaupt jeder Mensch), das an Klimawandel bedingten Katastrophen stirbt, jedes Kind, das wegen der Zerstörung seiner Lebensgrundlagen stirbt, jedes Kind, das auf der Flucht vor Hunger stirbt, jedes Kind, das auf Lesbos an einem banalen Infekt stirbt, weil es keine Hilfe bekommt….. (die Liste ließe sich unendlich erweitern) wird ermordet!“

Die Klimakrise und ihre Folgen kosten schon seit Jahren unzähligen Menschen das wichtigste aller Menschenrechte – das (Über)Leben.

„Klimakrise“ ist in diesem Sinne auch nur ein Sammelbegriff für all die Krisen, die eine skrupellose Ausbeutung von Mensch und Natur mit sich bringt. Diese Ausbeutung in einem auf unendliches Wirtschaftswachstum ausgerichteten Verschwendungssytem, ist aktuell die Basis für das, was wir Wohlstand nennen. Mit der Betonung auf „nennen“! Denn, dass sich immer mehr Menschen auch bei uns damit nicht „wohl“ fühlen, ist auch ohne Corona schon immer deutlicher geworden.

Die Klimabewegung war und ist nicht nur eine Ökobewegung. Sie ist eine Bewegung, die den Anspruch hat soziale Gerechtigkeit und nachhaltiges Wirtschaften in einer intakten Umwelt zum Wohle aller Menschen unter einen Hut zu bringen. Das ist ungefähr die Hauptaussage des Grünen Grundsatzprogramms. Viele halten das für eine Utopie. Für mich ist es die Grundlage meines politischen Engagements.

2019 haben sehr, viele, vor allem junge Menschen gespürt, dass sie jetzt beginnen müssen, um diese „Utopie“ zu kämpfen. Demzufolge waren die Grünen Wahlerfolge 2019 wohl auch kein Zufall. Die Tatsache, dass für eine tiefgreifende Wende nur mehr 15 bis 20 Jahre Zeit bleibt, hat letztlich auch für mich den Ausschlag gegeben, einem Regierungsprogramm zuzustimmen, das in manchen Bereichen sicher die unterste Messlatte des für uns Tragbaren darstellt – in anderen allerdings die erstmalige Chance bietet, den notwendigen tiefgreifenden Wandel endlich konkret voranzutreiben.

Denn, was anderswo Menschenleben kostet, macht auch uns auch hierzu Ort nicht gesund und glücklich. Trotz materiellen Überflusses, spüren auch Hierzulande immer mehr Menschen, dass unter den herrschenden Rahmenbedingungen nicht einmal der materielle Teil unseres Wohlstandes haltbar sein wird – geschweige denn der soziale, gesundheitliche, zwischenmenschliche, umweltabhängige…. Doch eine neue Definition von Wohlstand, inklusive Bereitschaft, das bisher Gewohnte zu reduzieren, zu teilen oder zumindest nicht mehr weiter zu verschwenden, fällt auch trotz eines Jahrs Grüner Regierungsbeteiligung nicht vom Himmel. Genauso wenig wie die Erkenntnis, dass das Menschenrecht auf (Über)Leben und ein „Weiter wie bisher“ nicht vereinbar sein werden.

Das braucht ein bisschen mehr Durchhaltevermögen als ein knappes Jahr! Das braucht mehr Engagement von uns allen! Das braucht die Bereitschaft, die Verantwortung, die man übernommen hat, auch ernst zu nehmen, wenn es gerade ziemlichen Gegenwind gibt.

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