Krise, Klima und Kritik

Ich habe gestern einen Beitrag auf Facebook mit folgender Grafik veröffentlicht:

95141626_262054361863373_6782880252428288000_oIch freue mich über die vielen Reaktionen zu diesem Beitrag und habe durchaus erwartet, dass dazu auch Kritik kommen wird.

Ich liebe Diskussionen und setze mich gerne mit Menschen auseinander, die andere Meinungen vertreten als ich. Denn mit Gleichgesinnten zu diskutieren, ist zwar schön, um die eigene Meinung bestätigt zu bekommen, verändert aber auf die Dauer nicht viel….

Da ich allerdings in der Fülle der Kommentare nicht alles nachvollziehen und auch nicht auf alles im Einzelnen reagieren kann und will, habe ich versucht, ein paar Themen aus den Diskussionen zu clustern und auf Basis meines Wissensstandes ein paar Antworten bzw. Haltungen von meiner Seite darzustellen. Wobei ich vorab noch einmal betonen möchte, dass ich keine Wissenschafterin bin, auch nicht den Anspruch habe, eine zu sein, mir dessen aber auch bewusst bin und dennoch alles versuche, um mir als Grüne Politikerin (hier in der Steiermark in der Opposition), Physiotherapeutin und Mutter von drei Kindern, einen möglichst umfassenden Überblick zu verschaffen und diverse Maßnahmen zu bewerten.

@Studien: Es wurde in einem Kommentar die aktuelle Stanfordstudie erwähnt, die das Risiko von Corona geringer einstuft als andere. Dazu gibt es allerdings schon wieder wissenschaftliche Gegenmeinungen. (Link) Ein Problem ist meiner Meinung nach, dass es im Moment unglaublich viele, teils sich diametral widersprechende Studien gibt, dass immer wieder spezielle Teilaspekte veröffentlicht werden, es aber einfach noch in vielen Bereichen kein schlüssiges Gesamtbild gibt. Eine Situation, die zugegebenermaßen auch für mich schwer zu ertragen, aber nun mal eine Tatsache ist. Meines Erachtens bringt es daher so gut wie gar nichts, wenn sich (noch dazu oftmals Laien Virologen) Studien um die Ohren werfen. Das sollten die ExpertInnen auf sachliche Art und Weise tun und damit einen Beitrag leisten, möglichst schnell zu wirklich klaren Ergebnissen und Einschätzungen zu kommen.

@Überforderung des Gesundheitssystems: Einige Kommentare klingen für mich so, als wäre es kein Argument für politische Entscheidungen, dass in Europäischen Nachbarländern durch die Coronakrise massive und dramatische Überforderungen der Gesundheitssysteme offensichtlich wurden und deswegen Menschen massenhaft nicht mehr adäquat behandelt werden konnten oder sogar starben. Das sehe ich definitiv anders! Alle politisch Tätigen, mit denen ich in den letzten Wochen und Monaten gesprochen habe, haben die Coronakrise zu Beginn eigenen Angaben nach unterschätzt (und zwar völlig unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit). Ich bin daher nach wie vor absolut dankbar, dass man dann in einem von allen Fraktionen unterstützen, sehr einschneidenden Maßnahmenpaket versucht hat, alles zu tun, um den Menschen in Österreich eine derartige Situation zu ersparen. Soweit ich das auf Basis der Informationen unserer Regierungsmitglieder beurteilen kann, wurde und wird unter Einbeziehung eines breiten ExpertInnenkreises jeweils nach bestem Wissen und Gewissen entschieden, wobei sich der Wissensstand, natürlich laufend weiterentwickelt. Was aus meiner Sicht auch begründete Hoffnung gibt, dass bei einer potentiellen „zweiten Welle“ schon weitaus differenziertere Maßnahmen getroffen werden können.

Ich habe im Übrigen in den letzten Wochen unzählige Videos , Links zu Studien, Statistiken, ..usw. erhalten. Nicht alles davon waren Verschwörungstheorien, dennoch war es mir schlichtweg unmöglich alles anzuschauen, geschweige denn richtig einzuordnen…. Da hätte ich nichts Anderes mehr tun können und ich war so schon jeden Tag mindestens 12 Stunden beschäftigt…

@Impfzwang: Eine konkrete Aussage von Kurz dazu kenne ich nicht. Sollte die Aussage in Verbindung mit der Reisefreiheit gemeint sein, so gehe ich zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass das sicher nicht Österreich und auch bestimmt nicht Kanzler Kurz alleine entscheiden wird. Da wir aber von einer Impfung im Moment ohnehin noch weit entfernt sind (zumindest die Mehrheit der ExpertInnen, die ich gehört habe, sprechen davon, dass es bei allerbesten Bedingungen mindestens noch bis Anfang des nächsten Jahres dauern würde), halte ich Spekulationen darüber im Moment nicht für sinnvoll.

Was für mich im Moment zählt, ist wie gesagt die klare Aussage von Rudi Anschober, nachzuhören im „Klartext“ von letztem Mittwoch auf 7 Tage Ö1, am Ende der Sendung (https://oe1.orf.at/player/20200429/595905). Stichworte: Bewusstseinsbildung, Hygiene – und Präventionsmaßnahmen, Informations – und Aufklärungskampagnen,…. Diese Haltung teile ich und halte ich für weitaus produktiver als einen wie auch immer gearteten „Grünen Aufschrei“.

@Transparenz: In derselben „Klartext“ Sendung, bestätigt sogar Rendi-Wagner, dass der Kreis der ExpertInnen, die die Regierung beraten, transparent einsehbar ist. Ich denke nicht, dass sie einen Grund hätte, das zu tun, wenn es nicht so wäre. So gesehen, führt sich die immer wieder auftauchende Kritik an der „Intransparenz des Beraterkreises“ ad absurdum.

@Diskurs auf Augenhöhe: Wer mich persönlich kennt, wird hoffentlich bestätigen können, dass ich Menschen prinzipiell auf Augenhöhe begegne. Das bedeutet auch, dass ich mir nicht anmaße, jede einzelne wissenschaftliche Studie, Einzelaussage oder Behauptung zu kennen, geschweige denn im Detail beurteilen zu können. Wenn das andere Menschen einfach so tun, sich damit also ein Stück im Besitz der Wahrheit wähnen, habe ich dann oft eher das Gefühl, dass sie mir nicht ganz auf Augenhöhe begegnen.

@“Angstmacherei“: auch dazu kann ich empfehlen die schon mehrmals erwähnte „Kontext“ Sendung nachzuhören. (Rendi – Wagner: nimmt dem Gesundheitsminister ab, dass er keine Politik der Angst betreibt). Und das bitte auch nicht falsch verstehen: Für mich ist das Urteil von Rendi – Wagner natürlich nicht das Maß aller Dinge, aber wie schon oben erwähnt, bestärkt sie damit als Oppositionspolitikerin meine Wahrnehmungen. Denn aus meiner Sicht haben die Aussagen der Grünen Regierungsmitglieder zwar jedenfalls klar formuliert, was droht, wenn nicht entsprechend gegengesteuert wird, waren aber keinesfalls von übertriebener Angst oder gar Panikmache geprägt. (Wobei derartige Wahrnehmungen natürlich auch immer sehr subjektiv sind.)

Die in diesem Zusammenhang immer wieder zitierte Aussage von Bundeskanzler Kurz unterliegt jedenfalls ganz sicher nicht einer Grünen Einflussnahme. Abgesehen davon, dass man über die Redlichkeit solcher Aussagen sicher prinzipiell streiten kann, denke ich, dass man damit primär den Kanzler selbst (bzw. seine ParteikollegInnen) konfrontieren sollte.

Ich bin jetzt sicher nicht auf alle Details Eurer Kritik oder Fragen eingegangen, aber ich habe mich bemüht zumindest die wichtigsten und häufigsten Punkte herauszufiltern. Mehr ist auch ehrlich gesagt auf diese Weise nicht möglich.

Aber, um das Stichwort Klima noch anzubringen: Ein kritisches und wertschätzendes Gesprächsklima braucht meines Erachtens ohnehin mehr, als virtuelle Diskussionen (oft sind es ja auch eher Schlagabtäusche) in diversen Sozialen Medien. Sie können echte Gespräche und Diskussionen, wo man sich ins Gesicht sieht, den anderen wahrnimmt und seine Haltung nicht nur durch geschriebene Worte zum Ausdruck kommt, einfach nicht ersetzen. Insofern braucht es für ein gutes zwischenmenschliches Klima gerade bei kontroversen Themen auch wieder genau das, was ich in meinem ursprünglichen Beitrag schon formuliert habe: solidarisches, vernunftgesteuertes und achtsames Verhalten als oberstes Prinzip – in der Politik genauso wie im täglichen Leben! Insofern freue ich mich schon sehr darauf, mit manchen von Euch, bald wieder direkt sprechen und diskutieren zu können.

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