Sind wir Konsumioten?

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„Zero waste“ ist für mich nur ein Teil einer Vision, aber ein sehr entscheidender! Um sie realer werden zu lassen, zählt nicht nur jede einzelne Entscheidung, sondern ganz entscheidend auch politische Entscheidungen!
Aus vielen gegebenen Anlässen und weil, seit ich diesen Beitrag vor einigen Jahren geschrieben habe, in Hinsicht auf die Verschwendung von fast allem nicht wirklich viel besser geworden ist, heute mal eine Wiederholung (Original zu finden unter http://www.keinheimfuerplastik.at/sind-wir-konsumioten/.:

Ich habe gerade die (sehr polemische, tragisch- komische aber jedenfalls sehr empfehlenswerte) Streitschrift von Michael Schmidt-Salomon „Keine Macht den Doofen“ gelesen.  Im Zusammenhang mit unintelligenten Verhaltensweisen von religösen Gemeinschaften, Politikern, Ökonomen usw. spricht er von Religioten, Politioten und Ökonomioten… Und er hat mich mit seinen Wortschöpfungen inspiriert.

Das Funktionieren unseres gesamten Wirtschaftssystems scheint ja davon abzuhängen, dass wir ständig und im Übermaß kaufen, verbrauchen, verschwenden, wegwerfen und wieder neu kaufen. Der Glaube daran, dass das so sein muss, wird beständig genährt durch absurde Vorstellungen von immerwährendem Wirtschaftswachstum und Horrorszenarien von drohender Arbeitslosigkeit und Finanzkrise.

Während Postämter geschlossen, Bahn – und Buslinien eingestellt, Sozialleistungen, Bildungs- und Gesundheitsausgaben gekürzt werden (hierzulande pflegt man das „Sparen“ zu nennen und komischerweise spielen hier die Arbeitsplätze auf einmal keine Rolle) und wir alle angeblich „den Gürtel enger schnallen müssen“, braucht „die Wirtschaft“ uns andererseits doch weiterhin als getreue, möglichst „denkfreie“, dafür aber umso kaufwütigere Konsumioten!

Während „wir alle“ uns schön brav darin fügen, dass die grundlegendsten Errungenschaften  einer sozialen Gesellschaft systematisch ausgehöhlt und kaputtgeredet werden, weil wir sie uns angeblich nicht mehr leisten können, sollen wir weiterhin munter drauflos konsumieren, um gemeinsam mit Konzernen die trotz Milliardenumsätze aus „Effizienzgründen“ Mitarbeiter auf die Straße setzen und /oder ihre Produktionsstätten in Billiglohnländer auslagern, dazu beizutragen dass die einen immer mehr, die anderen immer weniger und am Schluss wir alle keine reale Lebensgrundlage mehr haben.

Aber sind wir wirklich solche unverbesserlichen Konsumioten?

Oder spüren nicht längst viele von uns, dass hier etwas gänzlich falsch läuft. Dass es sich nicht ausgeht, immer weniger in eine funktionierende Gesellschaft zu investieren und gleichzeitig den Menschen einreden zu wollen, dass sie nur genug konsumieren müssen und alles wird gut. Dass die Wirtschaft ins Unendliche wächst und irgendwoher dann schon der ganze „Stoff“ kommen wird, den sie dazu braucht, notfalls von einem anderen Planeten. (Heuer war der so genannte „Welterschöpfungstag“ immerhin schon am 21. August).

Sind wir  – um mit den Worten von Michael Schmidt-Salmomon zu sprechen –  tatsächlich dazu verdammt unser Dasein als eine Sonderform des „Homo demens“ (des „irren, wahnsinnigen Menschen“) zu fristen oder schaffen wir (als Gesellschaft und nicht nur im Einzelfall) den Sprung zum echten Homo sapiens doch noch rechtzeitig?

Ist es nicht längst an der Zeit unsere geistigen und sozialen Kompetenzen mit dem hohen Stand unserer technischen Entwicklung in Einklang zu bringen und alles zusammen dazu zu nutzen, uns endlich aus dem Diktat eines nicht nur menschenverachtenden sondern vor allem auch offensichtlich nicht funktionierenden Sytems zu befreien?

Eines der schönsten Ergebnisse aus unserem nunmehr schon 3 Jahre dauernden Experiment ist, dass anders Denken, anders Glauben und anders Handeln tatsächlich auch eine andere Realität erzeugen können und dass Visionen von einer anderen, einer besseren Welt genau dort realistisch werden, wo aus der Erkenntnis, dass es „so nicht weitergeht“ eine konkrete Entscheidung zur Veränderung fällt.

Wenn wir keine Konsumioten (mehr) sein wollen, müssen wir anders entscheiden als bisher: Für mehr Zeit, für wertschätzenderen Umgang mit unseren Ressourcen, für Produkte und Dienstleistungen, die wir tatsächlich brauchen, um gut leben zu können, für Verbesserung der Qualität bei gleichzeitiger Verringerung der Quantität, für ein Ende der weltweiten Misswirtschaft und eine Wirtschaft, die diesen Namen wieder verdient. Für eine Zukunft, die wir unseren Kindern und Kindeskindern wünschen. Und nicht zuletzt für eine Politik, die dafür die nötigen Rahmendbedingungen schafft.

Ein Gedanke zu „Sind wir Konsumioten?“

  1. Liebe Sandra, deine Beiträge sind fantastisch – letztes Mal (schlechte Luft – Oskar!) wollte ich sogar was kommentieren, doch das Prozedere, dass ich das dann tun konnte, habe ich, weil es zu mühsam war, abgebrochen.

    Alles, alles Gute weiterhin – du sprichst mir/uns aus dem Herzen!

    Danke, danke, danke für deinen Einsatz, deine Arbeit, dein Sein!

    Liebe Grüße –

    Michael Weber & Co

    PS: Und danke auch fürs Dranbleiben an der „Schlacht-Geschichte“!!!

    Mag. Dr. phil. Michael Weber Sozialpädagoge, Ethnologe, Erziehungs- und Bildungswissenschaftler

    Lehrender am Kolleg für Sozialpädagogik (KSP) und an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) der Diözese Graz-Seckau

    Lange Gasse 2 8010 Graz

    email: michael.weber@kphgraz.at cell phone: 0043 (0)660 527 44 44

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